Henry-Ford-Bau

Die bereits im Januar 1946 wiedereröffnete Berliner Universität war nach dem Krieg die einzige der Stadt. Sie befand sich im sowjetischen Sektor und wurde 1949 in Humboldt-Universität umbenannt. Die ideologische Einflussnahme der sowjetischen Militärverwaltung auf die Lehre sowie die Verfolgung systemkritischer Studierender führte schon bald zur Forderung nach einer unabhängigen Hochschule. Mit Unterstützung der US-amerikanischen Besatzungsmacht konnte am 4. Dezember 1948 die „Freie“ Universität gegründet werden.

Die Lage im US-Sektor im Südwesten Berlins ermöglichte die Nutzung ehemaliger Gebäude der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, es waren aber auch Neubauten nötig. Aus dem Wunsch heraus, einen zentralen Begegnungsort für die Studierenden zu schaffen, entstand der Henry-Ford-Bau. Er sollte, wie in den USA üblich, als Hauptgebäude eines weitläufigen Universitätscampus dienen.

Die Architektur des Gebäudes setzt auf Transparenz und Offenheit und verkörpert damit die freiheitlichen Werte, für die die neu gegründete Universität stehen sollte. Benannt ist der Bau nach Henry Ford II, dem Enkel des berühmten Firmengründers der Ford Motor Company. Nach einem Besuch an der Freien Universität im Jahr 1951, bei dem er sich persönlich ein Bild der Situation vor Ort machte, veranlasste Henry Ford II die Finanzierung des letztlich 8,1 Millionen D‑Mark teuren Baus durch die Ford Foundation. Die Einweihung fand im Juni 1954 statt.

Das Universitätsklinikum im Stadtteil Lichterfelde – der heutige Charité Campus Benjamin Franklin – oder das Studentendorf Schlachtensee in Nikolassee sind weitere Beispiele für Bauten im Berliner Südwesten, die mit Geldmitteln aus den USA realisiert wurden.

Vor Ort

Der Henry-Ford-Bau, entworfen von den Architekten Franz Heinrich Sobotka und Gustav Müller, ist bis heute ein zentrales Repräsentationsgebäude der Freien Universität. Die letzte umfangreiche Sanierung erfolgte zwischen 2005 und 2007. Das Gebäude beherbergt im erweiterten westlichen Abschnitt die Universitätsbibliothek, Lesesäle, Büros und Hörsäle. Im östlich gelegenen Gebäudeteil befinden sich weitere Hörsäle sowie Konferenzräume. Teile des Hauses sowie das Foyer, das mit der Otto-H.-Hess-Galerie auch über einen Ausstellungsraum verfügt, können für Veranstaltungen gebucht werden.

In der Nähe

Lunch im Harnack House mit dem Oberkommandierenden der US-amerikanischen Streitkräfte in Europa und Militärgouverneur in Deutschland Lucius D. Clay (hintere Reihe, vierter von links), 1947.

Zwischen der Universitätsbibliothek und dem Foyer des Henry-Ford-Baus hindurch führt die Harnackstraße, benannt nach dem ersten Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Adolf von Harnack, der sich für die Förderung der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit einsetzte. Am Ende der Straße befindet sich das 1929 eröffnete Vortrags- und Begegnungszentrum Harnack-Haus.

Im Juli 1945 konfiszierte die US-Armee dieses Gebäude, baute es um und richtete dort einen Offiziersclub ein – gegenüber folgte 1955 das Dahlem Guest House mit Apartments für Gäste der US-Armee. Neben Pressekonferenzen und Empfängen für Diplomaten fanden schon bald vermehrt Bälle und Partys statt, die gelegentlich auch Berlinern offenstanden. Außer dem Harnack House richteten die Amerikaner auch mehrere Clubs für Unteroffiziere im Berliner Südwesten ein – etwa den „Club 48“ in der Saargemünder Straße oder „SilverWings“ am Flughafen Tempelhof. Die amerikanische Szene war prägend für das Berliner Nachtleben.

Nach dem Abzug der Alliierten wurde das Harnack-Haus an die Max-Planck-Gesellschaft, die Nachfolge-Institution der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, übergeben. Bei der Sanierung des Gebäudes von 2012 bis 2014 wurden viele Eingriffe der Amerikaner wieder in den ursprünglichen Zustand rückgebaut.

Wegbeschreibung Station 4 > 5

Lässt man den Henry-Ford-Bau linker Hand zurück und folgt der Garystraße – oder einer der parallel verlaufenden Fußwege zwischen weiteren Universitätsgebäuden – stößt man auf die Thielallee. Von hier ist es nur ein kurzes Stück Richtung Norden, bis man rechts auf die Kaiserswerther Straße kommt, wo sich einst die Alliierte Kommandantur befunden hat.

Zurück